Du selbst. Im Zentrum.

Der Elementargeist des Wasser-Elements: Zhi

In der TCM gibt es eine komplexe Psychologie, die in einer simplen Bildsprache auf den Punkt gebracht wird. Die Serie widmet sich den sogenannten Elementargeistern. Dieses Mal: Zhi. Der Elementargeist des Wasser-Elements.

Zhi steht für unsere Willenskraft, für unsere Ausdauer, für unsere Beharrlichkeit. Das sind genau die Eigenschaften, die das Wasser-Element am meisten benötigt und dementsprechend auch bereit stellt. Begegnen wir Phasen des Wasser-Elements in unserem Leben, dann werden wir immer ein bisschen herausgefordert, mal mehr, mal weniger, aber nie derart, dass wir nicht eine gute Portion Zhi benötigen würden, um diese zu meistern. Der Winter zum Beispiel: Fordert der nicht mehr Willenskraft von uns als jede andere Jahreszeit? Brauchen wir da nicht wesentlich mehr Willenskraft, um Morgen für Morgen das Bett zu verlassen? Warum sollte man denn das auch tun, wenn es nach dem Klingeln des Weckers noch mindestens zwei Stunden dunkel und vor der Tür zudem mehr als unwirtlich ist. Wir brauchen auch mehr Willenskraft, um das heimelige Zuhause wieder zu verlassen, sind wir nach einem langen Arbeitstag in dieses zurück gekehrt. Jetzt noch Joggen, Kino oder Restaurant? Nein danke. Und wer kennt das nicht: Meist so ab Mitte Jänner, da ist endgültig Schluß mit Antrieb, Action und Lebensenergie, da nagt dann schon eine globale Müdigkeit an den Knochen, da kann man sie gar nicht mehr erwarten, die ersten warmen Tage. 

Um sich da noch über die verbleiende Restzeit drüber zu retten, braucht es definitiv mehr Willenskraft, als zum Beispiel für den Übergang von August auf September.

Während im Sommer die Leichtigkeit des Seins zum Verweilen einlädt, braucht der Winter Zhi. Da legt man sich nicht einfach zum Entspannen unter einen Baum und sieht dem Gras beim Wachsen zu. Weil erstens gar nichts wächst. Und zweitens Verweilen nur in den eigenen vier Wänden angesagt ist. Wer raus will, muss was wollen. Das Wasser-Element braucht Ziele. Das Wasser-Element symbolisiert existentielle Lebensphasen. Dazu zählen auch und vor allem Krisen, schwere Lebenskrisen, ausgelöst durch was auch immer, durch Unfälle, Krankheiten, einen Bankrott, eine nicht zu verdauende Scheidung. Das sind ja auch keine Umstände, die nach zwei Tagen gegessen sind. Nistet sich das Wasser-Element in unserem Leben ein, dann tut es das mit Wasser-Energie, also ebenfalls mit Beharrlichkeit und Ausdauer. Um da halbwegs durchtauchen zu können braucht man Muskeln im Hulk-Format, vor allem im Kopf. Oder besser: In den Nieren, da wohnt er nämlich, der Elementargeist des Wasser-Elements. 

Das ist ein interessanter Wohnort. Denn in der TCM kontrollieren die Nieren auch das, was im Englischen „balls“ und im Spanischen „cojones“ genannt wird.

Wir sprechen von den Eiern. Die müssen aus Stahl sein, geht es um Anliegen des Wasser-Elements. Das ist allerdings nur ein Aspekt der Geschichte: Im chinesischen Schriftzeichen für Zhi ist auch das Herz enthalten, es stellt die Basis, aus dem Entwicklung und Fortschreiten statt finden sollen, weil ohne der wärmenden Kraft des Feuers wird der Wille rasch einmal kalt und hart wie Eis. An dem zerbricht dann nicht nur die Umwelt, sondern man oft auch selbst. Denn es fehlen ihm dann Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, aber auch die Konstanz, alles Qualitäten, die eher fließendem Wasser zuzuschreiben sind. Und so kann sich der Zhi auch verhalten: Fließend. Dann ist er nicht mehr aufzuhalten. Hat es sich Wasser einmal vorgenommen, in den Ozean einzutauchen, dann tut es das auch, da können die Berge an gefrorenem Eis nur neidvoll zusehen und warten. Zhi kann also zu rigide sein. Das ist nicht gut. Der Zhi kann sich aber auch zerstreuen, wie ein Bach, dem das Bachbett ausgeht, der sich hoffnungslos in der Umgebung verliert. Dann kriegt man gar nichts auf die Reihe. Das Bachbett hat also eine wichtige Funktion: Es bündelt die Kraft des Wassers, es steuert den Willen. In der TCM sagt man: Das Erd-Element kontrolliert das Wasser-Element. Yi – das Denken – kontrolliert die Willenskraft. Das stimmt aber primär für den Yang-Aspekt des Zhi.

Der Yang-Aspekt es Zhi kann auf den Punkt gebracht werden mit: Ich will das. Der Yin-Aspekt des Zhi mit: Der Wille geschehe.

Der Yang-Aspekt geht von einem Subjekt aus, das sein / ihr Objekt unbedingt haben will, will, will. Alles dreht sich um das Ich, um dessen Wünsche, dessen Ziele, dessen Begierden. Das kann jemanden weit bringen. Das muss aber nicht immer fruchtbar sein. Weil der vom Elementargeist der Erde, von Yi, angepeitschte Zhi im Endeffekt nur in Übereinstimmung mit dem Ego handelt und die Bedürfnisse und Eigenheiten der Umgebung meist wenig bis gar nicht berücksichtigt. Bildet sich der Yang-Zhi ein, im Winter blühen zu müssen, dann tut er das auch, koste es was es wolle. Das kostet vor allem: Ressourcen. Und das ist nicht die Grundidee von Zhi. Sagen wir so: Der Yang-Aspekt ist ein brauchbares Werkzeug. Eingesetzt sollte es jedoch vom Yin-Zhi werden. Der Auftrag des Yin-Aspekts des Willens ist es, die tiefste ihm zugängliche Bestimmung zum Ausdruck zu bringen. Das kann ein Auftrag der Seele sein. Oder ein Auftrag einer höheren Ordnung, wie auch immer man sie nennen möchte, ob Tao, Göttin, Gott oder Schicksal. Was es dazu braucht? Wieder einmal die Kernqualität des Wasser-Elements: Zurück zum Ursprung, eine Verbindung mit den Wurzeln seiner Selbst, die Energie muss sich im Innersten des Inneren sammeln können. Dort schlummert der große Masterplan.

Die Impulse des Yin-Willens folgen allerdings nicht zwingend einer klar erkennbaren Logik, wie das beim zweck- und ergebnisorientierte Yang-Willen der Fall ist.

Der Yin-Wille klopft gerne mit irrationellen Botschaften an unsere Tür. Er lässt uns spüren, das etwas zu tun ist, auch wenn das, was zu tun ist, im krassen Gegensatz zum gerade vor den Sinnesorganen ablaufenden Leben zu stehen scheint. Den gut bezahlten Job aufgeben zum Beispiel. Oder wegen der Liebe ans andere Ende der Welt ziehen und neu beginnen. Oder endlich mit der Faust auf den Tisch hauen und die Wahrheit sagen. Der Sinn und die Zusammenhänge derartiger Aktionen erschließen sich oft erst lange nachher. Trotzdem: Der Yin-Wille weiß intuitiv, dass derartige Entscheidungen im Sinne des großen Ganzen genau die richtigen sind. Ein gut integrierter Zhi setzt den Yang-Willen bewusst ein, um dem Yin-Willen zu dienen. Dazu braucht es Mut. Und Vertrauen. Mut und Vertrauen: Zwei weitere wesentliche Eigenschaften des Wasser-Elements, ohne die beide Willenskomponenten so effektiv voran kommen würden wie ein Auto auf zwei Rädern. Denn im Idealfall schaut es so aus: Zhi erzeugt einen Sog. Zhi zieht an. Er verführt, er lockt, so dass ihm zu folgen leicht und spielerisch erscheint. Er macht uns Ziele schmackhaft, wo der Weg zum Ziel und jeder Schritt zum Erfolg wird. Er lässt uns wachsen. Das Tun bringt Energie. Das ist wichtig, weil das Thema Wasser-Element immer ein Thema der Bewahrung von Ressourcen ist. Das Wasser-Element speichert unsere wertvollste Lebensenergie. Am leichtesten verschwenden wir diese, wenn wir Tag für Tag mit Handbremse durch das Leben fahren und das noch dazu mit Höchstgeschwindigkeit, wie es im Zeitalter 2.0 üblich geworden ist. Es macht mürbe und müde, wenn der Zhi keinen Sog erzeugt, sondern uns mit treibender Peitsche im Nacken sitzt, ein schwer belastender Rucksack eines permanenten Muss. Zhi als Pusher. Zhi als Treter. Ich. Muss. Ich. Muss. Kein Wunder, dass sich eine kollektive Zhi-Müdigkeit breit macht, gemeinhin auch Burn Out genannt. Und die wichtigste Zhi Frage überhaupt bleibt auf der Strecke: „Was will ich wirklich?“ Sich dieser Frage zu stellen erfordert Mut und Vertrauen. Weil diese Frage wirklich Angst machen kann und handfeste Lebenskrisen herauf zu beschwören vermag. Es ist die Aufgabe des Zhi, die Suppe des Lebens ausreichend zu würzen. Versalzen soll er sie jedoch nicht.

Literaturempfehlung

Mike Mandl, “Ich Yin, du Yang – der Dolmetscher für das Beziehungschinesisch”, Bacopa Verlag

Mike Mandl, “Meridiane. Landkarten der Seele”, Bacopa Verlag

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