Du selbst. Im Zentrum.

Raus aus dem Sugar Blues

Das Volk liebt sie, die Industrie liefert sie, die Politik unterstützt sie: Die Wunderdroge, die alle glücklich macht, die vom Baby bis zum Greis geliebt, geschätzt und in Unsummen konsumiert wird, gerne auch mehrmals täglich, gerne auch immer und überall.

Die Wunderdroge, die man weltweit zu einem absoluten Dumpingpreis kaufen kann, ob im Supermarkt, an der Tankstelle oder im Restaurant ums Eck. Die sich in jedem Haushalt befindet. Über die sich jeder freut, sobald sie serviert wird. Die in allen Medien mit großem Aufwand beworben wird. Die mit öffentlichen Geldern subventioniert wird. Die weiter verbreitet und präsenter ist als alle anderen Drogen zusammen. Die gefährlicher und todbringender ist als alle anderen Drogen zusammen. Wir sprechen von einem weißen, manchmal auch braunen Pulver, teilweise fein wie Staub, dann wieder grob wie Sand. Wir sprechen vom Zucker, genau genommen vom raffinierten Haushaltszucker oder Industriezucker.

Natürlich, niemand traut sich diese Form von Zucker offiziell als Droge bezeichnen. Denn was eine Droge ist und was nicht, dass bestimmt immer noch der kulturelle Kontext. Und da wir in einer Zuckerkultur leben, die sich gerne das Leben versüßt, pinkeln wir uns nur ungern selber ans Bein. In Bezug auf Zucker wäre es jedoch allerhöchste Zeit, uns sogar einen festen Schlag auf den Kopf zu geben, um endlich aufzuwachen und der bitteren Wahrheit der süßen Verführung ins Gesicht zu sehen. Zucker ist ein Suchtmittel. Mit Zucker sollte genauso sensibel umgegangen werden wie mit Nikotin, Alkohol, harten Drogen oder anderen gesundheitsgefährdenden Substanzen. Denn dass Zucker in der Menge und der Form, wie er im Durchschnitt konsumiert wird, einen negativen Einfluss auf die gesellschaftliche Gesundheit hat, das ist mehr als deutlich.

Der pro Kopf Konsum von Zucker beträgt je nach Land zwischen 30 und 50 Kilogramm pro Jahr. Australien überschreitet teilweise sogar die 60 Kilogrammgrenze, die USA liegen knapp darunter. In Deutschland hat sich die süße Sucht bei einem jährlichen Mittel von circa 35 Kilogramm eingependelt, das sind etwa 20 Teelöffel pro Tag. Oder 90 Gramm. Oder knapp 23 Stück Würfelzucker. 23 Stück? Ist das nicht ein bisschen viel? Nein, das ist sogar verdammt viel. Genau genommen sogar: Zu viel!

Vor etwas mehr als 150 Jahren wurden pro Kopf nicht mehr als zwei bis drei Kilo Zucker im Jahr verbraucht. Der Konsum hat sich in der Zwischenzeit also mehr als verzehnfacht. Die körperliche Belastung hingegen stark verringert. Die WHO empfiehlt nicht mehr als zehn Prozent der Kalorien aus Zucker aufzunehmen. Je nach Körpergewicht wären das 20 bis 40 Gramm am Tag – verzehrt wird im Schnitt jedoch mehr als das Doppelte der empfohlenen Menge. Dabei brauchen wir diesen Stoff eigentlich gar nicht. Raffinierter Zucker liefert unserem Körper nichts, was er benötigt, keine Vitamine, keine Mineralstoffe, keine Ballaststoffe, keine sekundären Pflanzenstoffe, nichts außer jede Menge überflüssiger Kalorien. Im Gegenteil, raffinierter Zucker schädigt unseren Organismus sogar in genauso vielfältiger wie langfristiger Hinsicht.

Trotzdem rangiert diese ernährungsspezifisch völlig wertlose Substanz konstant unter den Big Five der zu uns genommenen Lebensmitteln. Mit den zwei anderen ganz großen Berufskillern – Fleisch und Milchprodukte – liefert sich der Zucker auch gerne ein hartes Rennen um Platz drei in der Ernährungspyramide der Unvernunft. Ganz oben am Podest steht – vor allem in westlichen Industrienationen – das von all seinen wertvollen wie wichtigen Bestandteilen befreite und daher tendenziell ebenso wertlose Auszugsmehl. Bedeutet das also, das vier von den fünf am häufigsten von uns vertilgten Produkte die Gesundheit weder fördern noch stützen, sondern in ihrer Kombination diese vielmehr gefährden, ja sogar direkt angreifen können? Ja. Leider. Genau so ist es. Wer daran Zweifel hegt, braucht nur einen Blick auf die Bilanzen der Gesundheitssysteme werfen. Es krankt. An allen Ecken und Enden. Das ist alles andere als süß, das ist nämlich bitter, aber wahr.

DAS DICKE ENDE KOMMT NOCH

Unser Körper braucht Energie, um seinen täglichen Aufgaben nachgehen zu können. Wenn wir uns unsere Organ-, Muskel- und Nervenzellen wie kleine Hochöfen vorstellen, dann ist der Zucker das Holz, dass das Feuer am Brennen hält. Durch Essen sammeln wir das Holz, durch die Verdauung zerkleinern wir es und dann braucht es noch einen Zustellservice, der die gut aufbereiteten und zur Verbrennung bereiten Holzbündel dorthin bringt, wo sie benötigt werden. Das Hormon Insulin „verladet“ den Zucker und transportiert ihn in die Zellen. Hochwertiges Holz, ein funktionierendes Verarbeitungssystem sowie ein eingespieltes Speditionsunternehmen garantieren ein lang anhaltendes wie gleichmäßiges Feuer in unserem Körper. Der gesamte Organismus knistert und ist voller Energie. Sind aber bereits alle Hochöfen bestens versorgt und das Speditionsunternehmen hat immer noch Holzbeständen zu verteilen, so wird dieser Überschuss klein gehackt, gepresst und eingelagert. Als Reserve für magere Zeiten oder wenn einfach einmal mehr Feuer notwendig sein sollte. Als Hauptlagerhalle dient hier die Leber, wo der eingelagerte Artikel unter Glykogen abrufbar ist. Die Leber ist jedoch eine umtriebige Fabrik und keine große Lagerhalle und somit meist rasch überfüllt. Sollte also immer noch ein Holzüberschuss im System vorhanden sein, so müssen  neue Stauräume geschaffen werden, bevorzugt im Bereich des Bauches, der Oberschenkel oder des Gesäßes. Hier wird der Brennstoffartikel unter  dem Namen Fett eingebucht. Und in unserer modernen Zivilisation scheint ein derartiger Holzüberschuss vorhanden zu sein, dass sich eine globale Überfüllung der Lagerhallen beobachten lässt. Und zwar in einem mehr als erschreckendem Ausmaß…

Laut einer im Jänner 2014  veröffentlichten Studie des in London ansässigen Overseas Development Institute (ODI) ist weltweit bereits jeder dritte Erwachsene zu dick. In Summe sind 1,46 Milliarden Erwachsene fettleibig oder übergewichtig. In den Industriestaaten stieg die Zahl von 321 Millionen im Jahre 1980 auf 557 Millionen im Jahr 2008 deutlich an. Und zwischen 1980 uns 2008 stieg die Zahl der Betroffenen in Entwicklungsländern den Angaben zufolge von 250 Millionen auf 904 Millionen. In Europa sind laut der Studie 58 Prozent der Erwachsenen übergewichtig oder fettleibig, das entspricht den Raten in Lateinamerika, Nordafrika und im Nahen Osten. In Großbritannien sind 64 Prozent der Erwachsenen betroffen, in Nordamerika 70 Prozent.

Fazit: Weltweit gibt es bereits 30 Prozent mehr übergewichtige als unterernährte Menschen. Und weil Übergewicht einen wahren Rattenschwanz an gesundheitlichen Problemen mit sich bringt, sterben bereits mehr Menschen indirekt durch Zuviel an Essen als direkt durch ein Zuwenig an Essen. Tendenz weiterhin steigend. Dieser Überschuss im Kalorienbudget wird die Volkswirtschaft bis dahin etliche hundert Milliarden Dollar kosten. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg warnte daher im Mai 2012 : „Fettleibigkeit wird zum größten Gesundheitsproblem in diesem Land“. Als Maßnahme wollte Bloomberg ein Gesetz zum Verbot von „XXL-Bechern“ mit zuckerhaltigen Getränken einführen, das vorerst einmal gerichtlich gestoppt wurde – die Getränke-Industrie hatte erfolgreich geklagt. Der süße Saft darf weiterhin in Strömen fließen, jener süße Saft in Form von Soft-, Energie-, aber auch Vitalgetränken, der hauptsächlich dazu beiträgt, dass ganze Völker quasi maßlos überzuckert sind, weil sich die süße Droge kaum wo anders leichter unterjubeln lässt als in Getränken. Und wo süßer Saft fließt, ist „honigsüßer Durchfluss“ nicht weit.

Wir sprechen von Diabetes mellitus. Erhöht sich die Konzentration von Zucker im Blut über einen bestimmten Wert, wird dieser weder verarbeitet noch eingelagert, sondern über die Nieren mit dem Urin ausgeschieden, was ihm einen süßlichen Geschmack verleiht. In der Medizin wird zwischen zwei Arten von Diabetes unterschieden. Bei der sogenannten Jugend-Diabetes (Typ 1) zerstört das Abwehrsystem des Körpers die eigenen Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die das Insulin produzieren. Der bisher als Altersdiabetes bezeichnete Typ 2 entsteht hingegen durch ein jahrelanges Überangebot von Nahrung verbunden mit einer unzureichenden körperlichen Bewegung, also einem zu niedrigen Energieverbrauch durch nicht geforderte Muskelzellen. Der Zustellservice Insulin ist hoffnungslos überlastet. Die Mitarbeiter erliegen einem Burn Out, können nicht mehr, legen ihre Arbeit nieder. Chaos entsteht im System. Auf der einen Seite die erschöpften Insulin-produzierenden Zellen. Auf der anderen Seite Brennstoff überall. Holzscheite in den Zellen, Holzscheite vor den Türen der Zellen, Holzscheite, die auf den Transportwegen umherliegen, sprich eine wahre Holzscheitinvasion, um die sich keiner mehr kümmern will oder kann. Und die groben Holzscheite richten bei ihrer Reise durch den Organismus Schaden an, in den Gefäßen, in den Nieren, in den Nerven oder am Herzen. Nicht ohne Grund ist das Infarkt- und Schlaganfallrisiko bei Menschen mit Diabetes zwei bis vier Mal so hoch wie bei Gesunden. Und weil die modere Zivilisation von Haushaltszucker überschwemmt wird, entwickeln sich unnötige Krankheiten wie Diabetes 2 immer mehr zu einer Zivilisationsseuche.

Derzeit leiden weltweit knapp 400 Millionen Menschen an Typ 2 Diabetes, 4,8 Millionen Menschen sterben jährlich an den Folgewirkungen, Tendenz rapide steigend. Denn für Nachschub sorgt der ebenso immer gewichtigere Nachwuchs. In Deutschland hat die Zahl der übergewichtigen Kinder seit 1985 um 50% zugenommen, die der Kinder mit Adipositas um 100% . In Summe sind nun 15% aller deutschen Kinder zwischen 3 und 17 Jahren von Übergewicht betroffen. Auch treten immer mehr Fälle der Typ 2 Diabetes bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf, jener Form, die bislang als Altersdiabetes bezeichnet wurde. Dieser Trend kann weltweit beobachtet werden. Diabetes mellitus vom Typ 2 ist bereits jetzt eine der weit verbreitetsten Wohlstandserkrankungen der westlichen Welt. Und hat die besten Karten, zu einer Pandemie mit erschreckendem Ausmaß zu wachsen. Kein staatliches Gesundheitssystem wird die Kostenexplosion der Diabetes Explosion längerfristig tragen können. Abgesehen von den gesundheitlichen Schäden bei den betroffenen Personen entstehen gigantische Kosten.

In Deutschland verursacht ein Typ 2-Diabetiker das 1,3-fache (ohne Komplikationen) bis 4,1-fache (mit Komplikationen) der durchschnittlichen Kosten eines Versicherten .  Sprich: Irgendwer zahlt immer drauf, vor allem aber der Steuerzahler. Was aber, wenn sich die Gesundheitssysteme in ihrer jetzigen Form nicht mehr finanzieren lassen, was mehr als wahrscheinlich ist? Wenn sich nichts ändert, werden die Zahl  der von Diabetes betroffenen Menschen 2020 bereits auf 500 Millionen und die dadurch entstehenden Kosten auf schwindelerregende 700 Milliarden US-Dollar ansteigen. Und 2050 könnte laut Hochrechnungen und Schätzungen weltweit bereits jede zehnte Person Diabetiker sein, in Europa sogar jede dritte Person. Dann erwartet uns ein dickes Ende, ein mehr als dickes Ende…

Im Vergleich dazu: 27 Millionen Menschen sind drogensüchtig – also einer von 200 Erdbewohnern . Und „nur“ 200 000 Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen ihrer Drogensucht. Dass Diabetes als das weitaus schlimmere Übel zu sein scheint, liegt auf der Hand.  Und wenn Diabetes vom Typ 2 nun mit einer stark überzuckerten Ernährung in Zusammenhang steht, dann erübrigt sich die Frage nach der gefährlichsten Droge… Vielmehr muss man sich die Frage stellen, wie lange uns der süße Weg noch sauer aufstoßen muss, um endlich zur einzige vernünftigen Lösung zu kommen, zu einem Zuckerstop…

Natürlich: Der raffinierte Zucker alleine trägt nicht die Gesamtschuld. Und viele Wissenschaftler wollen dem Augenscheinlichen nicht ins Auge sehen. Oder doch. Nur: Sie sehen etwas anderes, und zwar einen gigantischen Markt, der sich hier entwickelt. Wächst Diabetes, wächst die gesamte Pharmabranche, denn irgendwer muss die Medikamente ja liefern. Glänzende Aussichten also, eine goldene Ära, welche die Umsätze mehr als nur versüßen wird, solange sich die Menschheit nur weiterhin ja ihr Leben versüßt, um sich längerfristig die eigene Gesundheit zu versalzen.

Deswegen wird natürlich gerne und laut angezweifelt, dass ein Übermaß an Zuckerkonsum zu erhöhtem Gewicht und erhöhtes Gewicht in Verbindung mit erhöhtem Zuckerkonsum zu Diabetes 2 führen kann. Reicht hier aber nicht auch unser Hausversand aus, um diesen Zusammenhang zu erfassen? Reichen aber hier nicht unsere Beobachtungen aus, um das Offensichtliche zu erkennen? Und warum sind dann gemäss einer Studie der Credit Suisse fast 90 Prozent der praktischen Allgemeinärzte in den USA, Europa und Asien überzeugt, dass ein enger Zusammenhang zwischen der rapiden Zunahme von Typ 2 Diabetes und der aktuellen Fettleibigkeitswelle mit dem übermässigen Zuckerkonsum besteht? Und warum fällt es uns verdammt noch einmal so schwer, vom Zucker Abstand zu nehmen?

SÜSSE VERSUCHUNG, BÖSE VERFÜHRUNG

Eigentlich können wir nichts dafür. Eigentlich können wir nicht anders. Für die frühen Jäger und Sammler war der süße Geschmack eine nützliche Orientierungshilfe bei der Suche nach Nahrung. Süße in Früchten signalisiert optimale Reife und damit einhergehend beste Verträglichkeit sowie hochkalorische Energie. Ein saurer Geschmack kann hingegen auf bereits Verdorbenes hinweisen und die meisten dem menschlichen Organismus giftigen Substanzen schmecken bitter. Von daher zeigen schon Neugeborene eine Vorliebe für Süßes und Aversionen gegen Bitteres und Saures. Es liegt also in unserer Natur, das Süße an sich zu bevorzugen, süß ist der Sicherheitsgeschmack der Evolution. Dazu kommt, dass aus evolutionsbiologischer Sicht auch nie eine Art innere Stoppschranke gegenüber einer Überdosis Zucker notwendig war. Im Gegenteil, für die frühen Jäger und Sammler war kalorienreiche Kost ein seltenes Geschenk, dass ausgekostet werden musste. Wer wusste schon, wann der Gabentisch wieder so reich gedeckt sein würde? Und: Die Früchte der Frühzeit waren weit weniger süß als ihre speziell auf den Zuckergehalt hochgezüchteten Nachkommen. Genetisch ist unser Geschmacksinn also auf einen weitaus geringeren Zuckergehalt kalibriert. Sprich: Es macht Sinn, soviel Süßes wie nur irgendwie möglich zu sich zu nehmen.

Damals machte es Sinn. Weil auf Zeiten der Fülle Zeiten der Leere folgten. Und die Kalorien durch die viele Bewegung rasch wieder verbrannt wurden. Aber heute? Heute, wo dank globalem Handel jeden Tag Erntezeit ist, wo wir nicht mehr mithilfe unseres Geschmacks zwischen giftigen oder ungiftigen Lebensmitteln unterscheiden müssen, wo wir mit einem Überangebot an Nahrungsmitteln konfrontiert werden, wo wir unsere Körper sowenig bewegen wie noch nie im Laufe der Menschheitsgeschichte – heute wurde aus dem einst evolutionärem Sinn ein fataler Unsinn. Die Zivilisation hat die Evolution überholt. Denn die Evolution hat nicht damit gerechnet, dass ein großer Teil der Menschheit einmal in einem unfassbaren Versorgungsparadies leben würde. Unser instinktiver Hang zum Süßen sichert also nicht mehr unser Überleben, er gefährdet dieses sogar.

Denn ein gesamter Industriezweig spielt vorzüglich mit unserer entwicklungsgeschichtlichen Vergangenheit, versetzt möglichst viele Produkte mit süßem Geschmack, dem wir uns aufgrund unserer genetischen Programmierung nur schwer widersetzen können. Die Folge: Wir konsumieren mehr, als wir eigentlich müssten bzw. sollten. Das lässt die Kassen klingeln. Und den Umsatz so zuverlässig wachsen wie den Wohlstandsbauch.

Begonnen hat diese Entwicklung in den sechziger Jahren. Nach zwei Weltkriegen sollten Rationierung und Mässigung der Vergangenheit angehören. Endlich Ruhe, endlich Friede, endlich Fülle. Als die Zunahme von Herzkrankheiten und anderer chronischer Probleme in den siebziger Jahren Besorgnis erregte, wurde auf der Grundlage begrenzter wissenschaftlicher Beweise das Fett als Verursacher ausgemacht. Um den guten Geschmack von Lebensmitteln zu bewahren, wurden die im Fett enthaltenen Kalorien durch Zucker oder Glucose-Fructose-Sirup ersetzt. Zucker oder auch Süßungsmittel auf Maisbasis sind unglaublich günstig herzustellen. Deswegen kann die Lebensmittelindustrie auch so verschwenderisch damit umgehen und den großen Zuckerstreuer über fast alle Lebensmittelgruppen schwenken. Im Business spricht man vom ROI. Von „return on investement“. Und dieser rechnet sich beim Zucker ganz gewaltig. Eine billige Zuckerzugabe kann bei Lebensmitteln zu erhöhtem Konsum führen. Also zu erhöhtem Umsatz. Also zu erhöhtem Gewinn. Bei geringer Investition. Binnen weniger Jahrzehnte ist es der Lebensmittelindustrie in den USA gelungen, soziale Normen komplett zu verändern. Mittlerweile gilt es normal, mehr oder weniger überall zu essen: Im Auto, am Schreibtisch, in der U-Bahn, beim Gehen. Der Zugang zum Essen ist leicht wie noch nie. Eine Entwicklung, die längst auch andere Kontinente erfasst hat. Aber trickreiche Verkaufsstrategien allein können kaum erklären, warum so viele Menschen beim Essen das gesunde Maß verlieren. Das liegt vor allem am Zucker.

Ob Ketchup oder Fertigpizza, ob Leberwurst oder Joghurt, ob Corn Flakes oder Vollkornbrot, ob Tiefkühlpommes oder Dosenbohnen, ob saure Gurken oder Fertigsuppe, ob Salatdressing oder Nudelsauce, ob Salzgebäck oder Senf: Zucker wird fast allen Lebensmittelgruppen untergejubelt, sogar mit dem Segen des Gesetzgebers. Schließlich möchte sich der Konsument, auch wenn er einen süßen Zahn besitzt, zumindest etwas gesünder ernähren und was Zucker in der Packung Fischstäbchen zu suchen hat könnte genauso unangenehme Fragen wie unangenehme Antworten wie unangenehme Konsequenzen heraufbeschwören. Daher wird der für die Gesundheit offensichtliche Feind unter Codenamen in die alltägliche Nahrungskette eingeschleust. Die Zutatenliste erwähnt nicht den Zucker, sie spricht lieber von Saccharose (Haushaltszucker), Maltose (Malzzucker), Laktose (Milchzucker), Fruktose (Fruchtzucker), Glukose (Traubenzucker), Invertzucker (Fruktose-/Glukose-Gemisch), Dextrose, Maltodextrin oder Dextrinen. Niemand merkt’s, wohl bekomm’s.

Dazu gesellen sich all jene Produkte, bei denen von vornherein klar ist, dass sie Zucker enthalten, wir es aber aus welchen Grund auch immer nicht wahrhaben wollen, welche Zuckerbomben wir hier freiwillig auf unser System loslassen. Marmelade, Schokolade, Gummibärchen, Kakaopulver – teilweise bis zu 70% reiner Zucker. Sie sagen Kinderkram? Apfelsaft, Orangensaft, Softdrinks, aber auch die als so gesund gepriesenen industriellen Smoothies: Selten ein Drink, der weniger als 10% reinen Zucker enthält. Und: Beim Konsum zuckerhältiger Getränke stellt sich das Sättigungsgefühl, wenn überhaupt, nur für eine kurze Zeit ein. Drinks mit 1000 Kalorien lassen sich schnell und leicht hinunterschütten. Sogar nach dem Essen. Auf den Tag hochgerechnet ergibt die Summe aus versteckten und offensichtlichen Zuckern dann jene 90 Gramm reinen Zucker, die auf das Jahr hoch gerechnet jene 35 Kilogramm Zucker ergeben, die Zucker in unserer Gesellschaft nicht zu einem mit Bedacht zu verwendenden Genussmitteln machen, sondern zu einem mehr als zweifelhaften Grundnahrungsmittel, vielleicht sogar zu einem gefährlichen Suchtmittel.

SÜSS, SÜSSER, SÜCHTIG

Bart Hoebel, Professor für Psychologie an der amerikanischen Princeton-Universität, hat mit einem spannenden Experiment für Aufmerksamkeit gesorgt: Zucker kann wie eine Droge wirken. Zumindest bei des Professors Ratten. Diesen wurde zuerst einmal das Frühstück entzogen. Der anschließende Heißhunger wurde mit etwas Futter und jeder Menge Zuckerwasser gestillt. Ein Wohlgefühl für die Ratten, das den Dopaminspiegel speziell im Belohnungszentrum des Gehirns in die Höhe schießen ließ, ähnlich wie es Alkohol, Nikotin oder harte Drogen zu bewerkstelligen vermögen. Mit der Zeit gewöhnten sich die Ratten jedoch an die hohen Dopaminlevel, und das Gehirn verringert die Anzahl der Andockstellen für den Botenstoff. Um das gleiche angenehme Gefühl auszulösen, brauchten die Tiere also mehr Zucker – der Suchtkreislauf begann, mit viele für ein Suchtverhalten relevanten Begleiterscheinungen wie Entzugserscheinungen, eine hohe „Rückfallsquote“ oder der Neigung zu „Ersatzdrogen“. Nach vier Wochen Zuckerernährung zeigten die Gehirne der Nager ähnliche Veränderungen wie Artgenossen, die harte Drogen bekamen. Hoebel meint, dass zwar noch sehr viel mehr Studien nötig seien, um das Suchtpotential von Zucker, vor allem für den Menschen, tatsächlich einschätzen zu können. Jedoch hat sich gezeigt, dass klassischer Drogenmissbrauch und ein starkes Verlangen nach bestimmten Nahrungsmitteln nicht zwei verschiedene Dinge sind, sondern lediglich zwei Seiten der gleichen Medaille.

Andere Forscher sprechen wiederum davon, dass der Geschmacksträger Zucker eine Art Sucht auslösen kann. Denn von kleinauf an werden wir mit Zucker konditioniert. Schon der Tee für Babys wird mit Zucker versetzt, genauso die Babynahrung. Immer serviert mit einem Lächeln und Liebe und viel Lalala. Und dann? Wann immer wir etwas Besonderes leisten oder sich etwas Besonderes ereignet, wird uns dieses versüßt, denn Süßes ist wohl die klassischste aller Belohnungen, die unangefochtene Königin der sinnlichen Befriedigung. Für gute Schulnoten gibt es eine Tafel Schokolade, für Mithilfe im Haushalt ein paar Bonbons. Zum Geburtstag eine große Torte. Zu Halloween Süßes, sonst droht das Saure. In der Weihnachtszeit Tonnen von Keksen. Wir dürfen uns also nicht wundern, wenn der süße Geschmack so sehr mit einem Gefühl des Wohlbefindens verknüpft ist. Zudem kommt, dass das bei der Zuckerverdauung involvierte Insulin die Bildung des als Glückshormon bezeichneten Serotonin aktiviert. Zucker macht uns also wirklich glücklich. Und wenn uns das Glück einmal im Stich lässt, wenn also der Dopaminspiegel in den Keller rasselt und sich das Serotonin aus der Hintertür verabschiedet, wenn uns der oder die Liebste gerade verlassen hat, wenn harte Zeiten an die Tür der Komfortzone klopfen, wenn man also gerade in den sauren Apfel des Seins beißen oder die salzige Suppe der Ungerechtigkeit auslöffeln musste, was hilft, was tröstet, was spendet Zuversicht? Richtig: Süßes! Wir hängen Zucker wie der Junkie am Heroin.

DER ZUCKERBLUES

Der erste Schuss erfolgt gleich zu Beginn des Tages. Was wir als Morgenmüdigkeit bezeichnen, ist vielmehr ein Kurzentzug. Daher bitte rasch: Brot aus vitalstoffreiem Auszugsmehl, dazu Marmelade und natürlich Kaffee. Mit Zucker bitte. Das war wir gemeinhin als Wachwerden verstehen ist vielmehr ein unsanftes Wachrütteln via vorsätzlichem Zuckerschock. Durch die Flut an schnellem Zucker, die sich in einem klassischen Frühstück befindet, schnellt der Blutzuckerspiegel an der Decke des Zumutbaren. Der Organismus muss auf solche Spitzenwerte reagieren, deswegen pumpt die Bauchspeicheldrüse alles an Insulin in das System, was ihr zu Verfügung steht, denn soviel energiereiches Holz gehört schnellstens zu den Hochöfen der Zellen transportiert bzw. weiterverarbeitet. Hurra, wir brennen wieder, endlich sind wir munter. Nur: Raffinierter Haushaltszucker verhält sich zu hochwertigem Zucker mit mehrfachen Zuckerketten wie Stroh zu Buchenholz. Buchenholz verbrennt lange und stark und bildet einen wärmenden Glutstock. Stroh erzeugt Strohfeuer. Ein kurze Intensität ohne Substanz. Zurück bleibt nur ein Häufchen Asche. Die Brenneinheiten der Zellen kühlen rasch wieder aus und fordern Nachschub. Denn der Zustelldienst Insulin hat ganze Arbeit geleistet und der Blutzuckerspiegel liegt nun am Boden, der Körper – und hier vor allem das auf Zucker angewiesene Gehirn – fordert Energie. Warum also nicht einmal bei der Lagerhalle Leber nachfragen, die ja in weiser Voraussicht Glykogen eingelagert hat. Um rasch an diese Reserven heranzukommen, stoßen die Nebennieren Adrenalin und Cortison aus. Optimal unterstützt wird dieser Prozess mit einer Tasse Kaffee. Kaffee mit Zucker, wenn schon. Denn Kaffee regt ebenfalls die Adrenalinausschüttung in den Nebennieren an.

Überhaupt ist die beste Antwort auf eine beginnende Unterzuckerung, die sich gerne in der ersten vormittäglichen Arbeitspause aufdrängt und sich durch Anzeichen wie Konzentrationsschwäche, Unruhe oder Heißhungerattacken bemerkbar machen kann, ein neuerlicher Zuckerschub. Ihre Leber freut sich darüber, ehrlich. Sie schwillt an vor Stolz, weil sie noch mehr Zucker aufnehmen darf. Und noch mehr. Und noch mehr. Und: Man muss Prioritäten setzen. Andere unwesentliche Aufgaben wie die Eliminierung von Schad- und Giftstoffen aus dem Körper können gerne vernachlässigt werden. Denn das spielt ja eigentlich auch keine Rolle mehr.

Denn wenn Glucose in Energie umgewandelt wird, entstehen in den Zellen Säuren. An sich kein Problem, werden diese doch mit einem Vitamin B1-haltigen Enzym neutralisiert. Nur: Woher B1 nehmen, wenn nicht aus der Nahrung stehlen? Und wenn die Nahrung bankrott, weil einfach wertlos ist, dann… Ja dann freuen sich die Säuren im Körper. Und der Körper wird sauer. An sich kein Problem, wird die überschüssige Säure doch mit Kalzium gebunden, um ausgeschieden werden zu können. Nur: Woher Kalzium nehmen, wenn nicht aus der Nahrung stehlen? Aber hatten wir das nicht schon, bankrotte Nahrung… Daher lieber den Knochen, den Zähne oder den Gefässwänden Kalzium entziehen. Und dann noch das Adrenalin im System, und das Cortisol… Der Körper steht zunehmend unter Stress. Der Körper wird zunehmend geschwächt. Der Körper wird zunehmend ausgelaugt. Vor allem, wenn wir mehrmals täglich unseren Blutzuckerspiegel in den Himmel und in die Hölle schicken – sprich wenn wir uns also den ganz „normalen“ Gepflogenheiten einer ganz „normalen“ Ernährung hingegen.

Die Wissenschaft zeigt sich natürlich skeptisch. Alles halb so wild. Bei einer ausgewogenen Ernährung verträgt ein gesunder Organismus die empfohlene Menge an Zucker. Natürlich. Nur: Wo ist die ausgewogene Ernährung, wo der gesunde Organismus? Warum ist eine deutliche Zunahme von Krankheiten, die mit einem nicht mehr richtig funktionierenden Immunsystem in Verbindung stehen zu beobachten, warum die deutliche Zunahme von Menschen mit einer Fettleber, bereits auch in jungen und jüngsten Jahren. Und warum auch die deutliche Zunahme von psychischen Belastungen wie zum Beispiel Stress, Burn Out oder Angststörungen? Warum?

Neben den offensichtlichen Zusammenhängen zwischen erhöhtem Zuckerkonsum und gesundheitlichen Beschwerden hat Zucker noch eine viel subtilere Wirkung auf unser Wohlbefinden. Das ist tausendfach erwiesen. Jedes Elternteil, dass seinen Fortpflanz schon einmal von einer Kindergeburtstagsparty geholt hat, hat an dieser Studie teilgenommen. Jedes Elternteil kommt zu demselben empirischen Ergebnis. Jedes Elternteil hat ein klein wenig Angst vor solchen Veranstaltungen. Man gibt halbwegs normale Kinder ab. Und bekommt kaum mehr zu bändigende wie außer sich seiende Lebewesen zurück. Wenn sie keinen großen Garten, einen Boxsack im Keller oder Beruhigungsmittel in der Familienpackung haben (nicht für die Kinder, für Sie), dann stehen meist harte ein bis zwei Stunden bevor, bis der süße Spuk vorbei ist und die Kindern müde zusammenfallen, wie ein Ballon, dem die Luft entweicht. Kindergeburtstage sind die perfekte Bühne für die Hochschaubbahn des Zuckerschubs. Eine hochkonzentrierte Ladung nach der anderen. Der Organismus spielt verrückt, das Nervensystem ebenfalls. Es kommt zu Nervosität, Reizbarkeit, Aufmerksamkeitsschwäche, aber auch zu Kopfschmerzen, Übelkeit oder Erschöpfung. Kinder sind transparent. Bei Kindern können ihren inneren Zustand schwer verbergen.

Erwachsene schon. Aus Nervosität wird inneren Unruhe. Aus Reizbarkeit unterdrückte Aggression. Aufmerksamkeitsschwäche resultiert in Überlastung, das Zuviel an Energie in einer Rastlosigkeit, die unsere modernen – und überzuckerten Zeiten – prägt. Stress ist das am zweithäufigsten genannte arbeitsbedingte Gesundheitsproblem in Europa, wie die Europäische Beobachtungsstelle für berufsbedingte Risiken erklärt. Die globale Krankheitslast durch psychische Erkrankungen ist zwischen 1990 und 2010 um 37,6% gestiegen. Weltweit leiden etwa 450 Millionen Menschen an psychischen Erkrankungen, allein in Europa sind es rund 165 Millionen, was der europäischen Volkswirtschaft circa 798 Milliarden Euro kostet. Die Ursachen: Die veränderte Arbeitswelt, die Unsicherheiten in den Zeiten der Wirtschaftskrise, die steigenden Belastungen. Nie jedoch die innere Ökologie. Obwohl die im Rahmen dieser psychischen Erkrankungen immer wieder auch Symptome wie Ermüdung, Ängstlichkeit, Leistungsschwankungen, innere Anspannung, mangelnde Konzentration, Reizbarkeit, Nervosität oder Aggression im Mittelpunkt stehen. Kommen ihnen diese Zustände mittlerweile nicht bekannt vor? Kann es sein, dass der Zucker auch hier seine süßen Finger mit im Spiel hat? Dass das das Knall der bitteren Peitsche ist, der auf das süße Zuckerbrot folgt? Mein Vorschlag: Glauben sie weder mir, noch der Wissenschaft noch sonst jemanden. Hören sie einfach einmal damit auf, raffinierten Zucker zu essen. Jetzt.

HÖREN SIE AUF! JETZT!

Hören sie auf Zucker zu konsumieren. Lassen sie ihn einfach weg. Tun sie es. Durchforsten sie ihre Küche. Welche Lebensmittel enthalten raffinierten Zucker, welche Getränke enthalten Zucker? Weg damit. Verschenken sie diese oder brauchen sie diese noch auf, nur: Kaufen sie keine zuckerhältigen Lebensmittel nach. Sie brauchen keinen raffinierten Zucker und sie brauchen keine Produkte mit verstecktem Zucker. Raffinierter Zucker ist wertlos. Raffinierter Zucker schadet ihren Zähnen, ihren Stoffwechsel, ihrer Figur, ihrer Psyche. Zucker kann zu  Magen- und Darmproblemen, Blähungen, Durchfall und Verstopfungen, Haarausfall, Hautkrankheiten oder Pilzbefall führen. Hören sie daher einfach auf. Meiden sie schnelle Kohlenhydrate wie Auszugsmehl oder Produkte aus Auszugsmehl. Meiden sie weißen Reis. Und meiden sie auch stark stärkehaltige Lebensmittel wie Kartoffeln. Meiden sie wirklich jede Prise davon, meiden sie jedes Gramm. Keine Angst. Es wird ihnen nichts passieren. Sie werden sehen, ihr Speiseplan wird wird nicht unter Zuckerfreiheit leiden. Sie zu Beginn vielleicht schon.

Zum einen werden wir schnell einmal damit konfrontiert, wie sehr raffinierter Zucker auf seine raffinierte Art und Weise unseren Lebensmittelmarkt und unsere Gewohnheiten mit seinen süßen Fingern im Griff hat: Drogendealer überall, Drogen überall. Kaum ein Produkt, das nicht damit versetzt wäre. Zuckerhaltige Produkte haben einen äußerst wichtigen Stellenwert in der täglichen Routine der modernen Zivilisation. Auf Zucker zu verzichten heißt auch, diese Routine zu durchbrechen. Das morgendliche Marmeladebrot, der Vormittagskaffee, das Fertiggericht zu Mittag, das Dessert, der Nachmittagskuchen… Es ist jedoch wichtig, diese bittersüße Routine zu durchbrechen, weil sie eine Sackgasse darstellt, an deren Ende eine Klagemauer für unsere auf dieser Reise entstandenen gesundheitlichen Probleme wartet. Viel weniger als der Körper wird unsere Willenskraft gefragt. Ja, es ist nicht leicht, oder? Der Geist ist unruhig. Die Konzentration leidet. Das Wohlbefinden setzt eine saure Miene auf. Ein bisschen Schokolade kann doch wirklich nicht so schlimm sein. Oder eine Tasse mehr Kaffee. Der Körper wird mir schon sagen, was er braucht. Genau. Zwei Tage war ich schon brav, jetzt kann ich mir doch etwas gönnen. Genau. Ersatzhandlungen, Rückfälle und ein Denken, dass sich ein bisschen im süßen Kreis dreht. Sind wir vielleicht doch zuckersüchtig? Wobei der Verzicht auf Zucker nicht gleichzusetzen ist mit einem Verzicht auf Süßes.  Wohlgemerkt, wir sprechen immer vom raffinierten Zucker. Es gibt auch anderen Zucker. Wichtig ist nur: Bitte bleiben sie dabei, hören sie auf. Jetzt.

SÜSS IST NICHT GLEICH SÜSS. ODER: ENDLICH RUHE

Wir haben vom raffinierten Haushaltszucker als Stroh gesprochen, das für unsere Energiegewinnung kurz aufflackert, aber auch genauso schnell wieder verpufft. Deswegen sind wir ja gezwungen sooft nachzulegen. Was wäre aber, wenn wir dem Verdauungsfeuer nicht Strohhalme, sondern genauso hartes wie hochwertiges Holz liefern würden? Es gibt ein solches Holz. Oder sagen wir so: Eigentlich sind wir sogar für ein solches Holz geschaffen. Wir sind für hochwertige Kohlenhydrate geschaffen. Hochwertige Kohlenhydrate bestehen aus mehreren Zuckermolekülen (Polysaccharide). Haushaltszucker nur aus zwei (Glukose und Fructose). Gerne wird hier auch von Zuckerketten gesprochen. Je kürzer die Zuckerketten, desto mehr ähnelt das Nahrungsmitteln dem schon erwähnten Stroh. Es muss nicht mehr zerkleinert werden, kann direkt in das Feuer geworfen werden. Worauf der Blutzuckerspiegel genauso wie ein Strohfeuer rasch hochlodert.

Langkettige Kohlenhydrate sind wie Bäume, die zuerst verarbeitet und zerkleinert werden müssen. Ein Stück nach dem anderen. Das braucht Zeit. Das Feuer brennt derart konstanter und länger. Der Blutzuckerspiegel steigt stetig an, der Insulinspiegel bleibt auf einem konstanten Niveau, die Energieversorgung geschieht über einen längeren Zeitraum hinweg. Damit kann der Körper bestens umgehen. Zudem liefern komplexe Kohlenhydrate meist auch wichtige Nährstoffe wie Ballaststoffe, Mineralstoffe und Vitamine, Nährstoffe, die den Körper teilweise auch bei der Verbrennung von Zucker stützen – anstatt ihm diese zu entziehen.

Von daher: Es liegt nun an Ihnen. Wollen Sie weiterhin im Zuckerblues feststecken, wollen Sie seiner Launenhaftigkeit ausgesetzt und selber launenhaft sein? Wollen Sie langfristige gesundheitliche Schäden riskieren? Wollen Sie das wirklich? Oder wollen Sie ruhig, zufrieden und energiegeladen sein? Es liegt an Ihnen. Sie brauchen nur auf raffinierten Zucker zu verzichten. Jetzt.

AUSSTIEG AUS DER ZUCKERSUCHT

 – Achtung auf zuckerhaltigen Getränke
Streichen Sie gezuckerte Getränke: Softdrinks, zuckerhaltige Tees, zuckerhaltige Säfte. Und ja, sogar die modernen Wellness-Mineralwässer enthalten oft Zucker.

– Koffein und Alkohol meiden
Koffein und Alkohol fördern die Entstehung von Blutzuckerschwankungen und somit die Entstehung von Unterzuckerphasen und Heißhungerattacken. Daher gilt auch hier: Lassen sie diese Getränke weg. Komplett.

 – Zutatenlisten lesen & Fertigprodukte meiden
Lesen Sie beim Einkauf die Etiketten der Produkte. Achten sie auch darauf, unter welchen Namen Zucker untergejubelt wird: Saccharose (Haushaltszucker), Maltose (Malzzucker), Laktose (Milchzucker), Fruktose (Fruchtzucker), Glukose (Traubenzucker), Invertzucker (Fruktose-/Glukose-Gemisch), Dextrose, Maltodextrin, Dextrin… Vor allem in Fertigprodukten können sie zugesetzten Zucker kaum vermeiden…

– Auf hochwertige Kohlenhydrate setzen
Hochwertige Kohlenhydrate liefern lang andauernden Brennstoff und finden sich vor allem in Vollkornprodukten, Getreide (um Gluten zu umgehen, am besten auf Naturreis setzen), Hülsenfrüchten aber auch in Obst und Gemüse oder Sojaprodukten…

– Kauen, kauen, kauen
Wir sollen unser Brot trinken. Und unser Wasser Essen. Sprich gut kauen und Zeit lassen. Tatsächlich: Je länger man Brot oder Vollkorngetreide kaut, desto süßer beginnt es zu schmecken. Verantwortlich dafür sind die im Speichel befindlichen Enzyme, die bereits im Mund die langen Kohlehydrate aufspalten. Zudem erhält das Gehirn wertvolles Feedback: Wir essen. Was eine Kaskade an Mechanismen im Gang setzt und das System derart optimal auf den Verdauungsprozess vorbereitet. Dadurch können wir einen höheren Nährwert aus der Nahrung extrahieren. Und: Wer gründlich kaut, ist satt, wenn er genug gegessen hat.

 – Frühstücken wie ein/e Kaiser/in
Das Frühstück ist die Basis des Tages. Man könnte auch sagen: Die Fabrik wird zum Leben erweckt. Je sorgfältiger wir das tun, desto reibungsloser alle weiteren Prozesse. Um die vormittägliche Unterzuckerung und die damit einhergehende Versuchung nach dem schnellen Kick zu umschiffen, sollte bei Frühstück vor allem eines vorhanden sein: Zeit. Den Rest wissen Sie schon: Hochwertige Kohlenhydrate. Und kauen, kauen, kauen…

 – Mild würzen
Nach einem lauten Rockkonzert dröhnen die Ohren. Durch die überwürzte Nahrung ist unser Geschmacksempfinden einem RundumdieUhr-Rockonzert ausgesetzt, bei dem die härtesten aller harten Bands mehr oder weniger gleichzeitig um Aufmerksamkeit buhlen. Kein wunder, dass wir Extreme brauchen, um überhaupt noch etwas zu schmecken. Extrem salzig. Extrem süß. Extrem scharf. Extrem bitter. Meiden sie daher solche Konzerte wenn sie auf die Dauern nicht taub werden wollen. Meiden sie Fertigwürzen, Fertigsaucen, Fertigaromen. Meiden sie alles Produkte mit Geschmacksverstärkern. Reduzieren sie Salz in der Küche. Erfreuen sie sich an den sanften Tönen. Sie werden sehen: Nach einiger Zeit empfinden ihre Sinne ein geschmackliches Rockkonzert nicht als Genuss, sondern als genauso rohen wie primitiven Schock.

 – Bewegung
Den Cocktail, den wir im Kopf benötigen, um dem Zucker die kalte Schulter zu zeigen, können wir uns zum größten Teil auch selber mixen. Oder schütteln. Hauptsache Bewegung. Denn Bewegung unterstützt die Serotoninausschüttung. Ausreichend Serotonin im Körper macht ruhig und ausgeglichen. Und glücklich. Sprich: Das Leben bekommt seine Süße von innen. Und braucht daher weniger von außen…

– Frischluft tanken, Sonnenbäder nehmen
Raus in die Natur. Den Sonnenschein genießen. Tief durchatmen. Am besten täglich. Geben Sie sich einen Ruck. 15 Minuten sind ausreichend und jeden Tag möglich. 30 Minuten besser. Und wenn Sie die Woche komplett im Würgegriff hat, dann zumindest am Wochenende. Sonne und Frischluft beeinflussen ebenfalls unseren Serotoninhaushalt. Warum wohl ist die Lebenslust eher im Süden zuhause?

Literaturempfehlung

Mike Mandl, “Ich Yin, du Yang – der Dolmetscher für das Beziehungschinesisch”, Bacopa Verlag

Mike Mandl, “Meridiane. Landkarten der Seele”, Bacopa Verlag

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