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Burn On mit Shiatsu

An der International Academy for Hara Shiatsu in Wien findet ein regelmäßiges Intensivpraktikum zum Thema Burn Out statt. Mit überraschenden Ergebnissen…

Von Mike Mandl

Bei dem Burn Out Intensivpraktikum werden an der International Hara Shiatsu Academy von Tomas Nelissen im Schnitt 18 KlientInnen einmal pro Woche zu einem Fixtermin über einen Zyklus von zehn Wochen behandelt. Nach zehn Wochen beginnt der nächste Zyklus. Seit März 2012 absolvierten Hara Shiatsu PraktikerInnen in Summe 720 Behandlungen an 72 KlientInnen, die sich teils aufgrund ärztlicher und psychotherapeutischer Empfehlung, teils aus eigenen Beweggründen für dieses Intensivpraktikum angemeldet haben. Im Mittelpunkt der Behandlungen stand und steht das Thema Burn Out, ein moderner Übergriff für ein breites Spektrum an Disharmonien, die sowohl in stressbedingten Belastungssymptomen wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder starken Verspannungen als auch in langjähriger Arbeitsunfähigkeit aufgrund schwerer Erschöpfungsdepression Ausdruck finden. Genauso breit gefächert wie die Aufgabenstellungen an die PraktikerInnen ist auch das KlientInnenprofil. Es gibt nicht den oder die klassische Burn Out KlientIn. Fest steht: Burn Out ist ein vielschichtiges Thema! Aber: Was ist eigentlich Burn Out?

Burn Out wird gerne als das Ende eines totalen Erschöpfungszustandes bezeichnet, der sich sowohl auf körperlicher als auch auf emotionaler Ebene ausdrückt und sich allmählich entwickelt hat. Die Essenz: Am Ende geht nichts mehr. Das führt zum Verlust der Lebensqualität, in vielen Fällen auch zu diversen Folgeerkrankungen. Burn Out ist aufgrund seiner unterschiedlichen Ausprägungen eher als Sammelbegriff zu sehen, eher als Zustandsbeschreibung und nicht als klar abgegrenzte Diagnose. In der „Internationalen Klassifikation der Erkrankungen“ (ICD-10) wird Burn Out als „Faktor, der den Gesundheitszustand beeinflusst und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führt“ (Z73.0) definiert. Burn Out gilt nicht als eigenständige Erkrankung und ist eine Rahmen- oder Zusatzdiagnose, aber keine Behandlungsdiagnose wie zum Beispiel die Depression. Dementsprechend gibt es noch keine übergreifende Definition des Burn Out Syndroms, sondern lediglich unterschiedliche Ansätze, diesen Symptomcluster ein- und abzugrenzen. Einen guten Ansatz hat das Swiss Expert Network on Burnout in den Raum gestellt: 

„Burn Out ist eine arbeitsassoziierte Stressreaktion, die zu einem anhaltenden negativem Gefühlszustand bei normalen Individuen führt. Primär ist Burn Out charakterisiert durch Erschöpfung, die begleitet ist von chronischem Stress, reduzierter Effizienz und Motivation und der Entwicklung von gestörter Einstellung und Verhalten am Arbeitsplatz. Burn Out ist auf der somatischen Ebene gekennzeichnet durch eine Störung des neuroendokrinen Regulationsmechanismus, die sich in vegetativen Symptomen äußern kann. Dieser Zustand entwickelt sich allmählich und kann vom betroffenen Individuum über lange Zeit unbemerkt ablaufen. Es ist das Resultat eines nicht Zusammenpassens von Arbeitsplatz und Mitarbeiter in den sechs Bereichen: Arbeitsmenge, soziales Umfeld, Unterstützung, Werte, Fairness und Kontrolle. Besteht ein Ungleichgewicht in einem oder mehreren dieser Bereiche, reichen die Ressourcen des Individuums nicht mehr, um mit den Bedingungen am Arbeitsplatz richtig umzugehen. Oft ist Burn Out sich selbst unterhaltend, indem die Bewältigungsstrategien zunehmend inadäquat werden und somit Teil des Syndroms bilden.“

Nachdem es sich bei dem Begriff Burn Out fast schon ein Modewort handelt, gibt es auch viele kritische Stimmen, die vor einer Burn Out Inflation warnen. Was früher als normaler Stress galt, ist heute schnell einmal ein Burn Out. In einem Punkt herrscht dennoch Übereinstimmung: Der Zustand der Arbeitsmüdigkeit, wie auch immer dieser bezeichnet wird, verursacht hohe Kosten. Die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz schätzt die volkswirtschaftlichen Folgekosten des Burn Out Syndroms in der EU auf rund 20 Milliarden Euro. Jährlich.

 Die Energetik des Burn Outs

Um mit Shiatsu einen Zugang zu dieser breit gefächerten Thematik zu finden, wählten wir für das Intensivpraktikum das Zwölf-Phasen-Modell des Psychoanalytikers Herbert Freudenberger, der 1974 mit seinem Buch „Staff burnout“ maßgeblich zur Etablierung des Begriffes Burn Out beigetragen hat. Im Rahmen der über 700 schwerpunktmäßig durchgeführten Behandlungen haben wir die Charakteristik der einzelnen Burn Out Phasen energetisch interpretiert und in das System von Yin und Yang sowie der Fünf Elemente übertragen. Bei dieser Aufschlüsselung handelt es sich um unsere Beobachtungen und Erfahrungen, die wir gerne zur Diskussion stellen. Auch würden wir uns über einen Erfahrungsaustausch und eine Weiterentwicklung freuen.

Wie bei vielen psychosomatischen Formenbildern begünstigt auch beim Burn Out ein entsprechender Nährboden dessen Entwicklung. Dieser Nährboden wird meistens aufbereitet durch: Ein stark ausgeprägtes Streben nach Perfektionismus. Ein mangelndes Selbstwertgefühl, das sich Zuneigung gerne mittels Leistung „erkauft“. Beide Faktoren kombiniert wirken wie Düngemittel und Treibhaus zusammen. Der Wunsch zu wachsen und erfolgreich zu sein ist im Grund positiv. Wenn aus diesem natürlich Drang jedoch ein Zwang wird, befinden wir uns in der ersten Phase des Burn Out.

1. Der Zwang sich zu beweisen

Die Nieren sind der Sitz unserer Willenskraft. Die Leber entwickelt daraus eine Vision. Die Gallenblase kümmert sich mit Entschlossenheit um die Umsetzung. Der amerikanische Erziehungswissenschaftler Howard Earl Gardner hat einen Ausgangspunkt gefunden, der sich bei der Überwindung des Burn Out Syndroms als effektiver Ansatz erwiesen hat. Simpel ausgedrückt: Sind wir selber Kapitän auf unserem Boot und haben wir das Steuer in der Hand? Bestimmen wir den Kurs? Fahren wir mit einem Tempo, das zu uns passt? Denn es geht um bewusste Selbststeuerung, die Gardner mit drei Fragen zusammenfasst: Wer bin ich? Was will ich? Wie erreiche ich effizient meine Ziele? Die ersten beiden Fragen sind Aspekte des Wasserelements, die dritte Frage spiegelt das Holzelement wieder. Die ersten beiden Fragen bilden das Fundament unserer Identität. Je unsicherer wir in Bezug auf diese beiden ersten Fragen sind, desto anfälliger sind wir für ein Tun, das nicht unsere Stärken und Fähigkeiten und Sehnsüchte ausdrückt, sondern vermehrt Aufmerksamkeit sucht. Weil eine unsichere Identität vor allem eines braucht: Anerkennung. Das Wasserelement kann in seiner Suche nach derselbigen seine Essenz nicht frei ausdrücken, weil es mehr im Außen als nach Innen orientiert ist. Aus dem Samen, der wir sein könnten, wächst ein Baum, der nicht in sich selbst wurzelt. In Lebenssituationen, in denen wir nun gefordert werden, steht uns das Wasserelement dann weniger als innere Ressource in Form von Selbstsicherheit, Selbstwert, Selbstbewusstsein und klarem Willen zu Verfügung, sondern wir versuchen durch unsere Aktivität diese Ressource zu bekräftigen. Wir wollen uns beweisen, weil es nicht reicht, einfach zu sein, nein, wir müssen tun. Aus dem natürlichen Entfaltungsdrang wird ein Anerkennungsdrang. Das Wollen wird zum Müssen. Die Folge:

2. Verstärkter Einsatz

Die Wurzeln für Burn Out Anfälligkeit sind meist in unserer Entwicklungsgeschichte zu finden. Im Zyklus der Fünf Elemente übernimmt bei einer Schwächung des Wasserelements gerne das Metallelement – und hier vor allem der Dickdarm mit seiner Qualität des Festhaltens – die Rolle der führenden Mutter, die dem verunsicherten Kind durch Strukturen, Ritualen, Ordnung oder Kontrolle Halt gibt. Deutlich wird diese Dynamik zum Beispiel bei einer Trennung von Eltern, was in den meisten Fällen eine Verunsicherung des/r Kindes/r zur Folge hat. Für diese Kinder sind in Folge klare Strukturen, Rituale und auch geistige wie emotionale Ordnung wichtig, weil dadurch Orientierung und Halt entstehen. Durch diese Orientierung und den Halt (Metallelement) kann wiederum Sicherheit (Wasserelement) aufgebaut werden. Diese „Schutzfunktion“ wird, wenn das zugrunde liegende Muster nicht geklärt wurde, in das Erwachsenenalter mitgenommen, wobei jede Form von Verunsicherung des Wasserelements zu dieser Ausprägung führen kann, auch Verunsicherungen, die uns im Erwachsenenalter begegnen, wie zum Beispiel die Angst vor einem Jobverlust oder die Angst vor neuen Aufgaben. Die Auswirkungen sind gleich: Die mentale Ebene kontrolliert verstärkt unser Tun, unsere Aktivitäten, ohne zu prüfen, ob sie mit dem Ich, mit dem eigenen Wollen im Einklang stehen, solange sie uns nur die notwendige Aufmerksamkeit und Sicherheit gewährleisten: Die Metall- Holzachse „übergeht“ das Wasserelement, die betroffenen Personen „halten am vermehrten Einsatz fest“, Ruhe und Regeneration kommen zu kurz. Die Folge:

3. Subtile Vernachlässigung eigener Bedürfnisse

Mit dem Übergehen der Wasserqualität geht die Eigenschaft verloren zu überprüfen, was wir wirklich wollen. Das Resultat: Die beginnende Vernachlässigung eigener Bedürfnisse. Das vermeintliche wesentliche Verfolgen einer Aufgabe hat die betroffenen Personen voll im Griff. Kleinere alltäglichen Pflichten und Freuden werden als lästig und störend empfunden, Pausen als überflüssig erachtet, der Körper vernachlässigt. Die Yangenergie im Bereich Holz- und Feuerelement verdichtet sich, der Kontakt zum Yin verliert sich, das Wasserelement dient nur mehr als Energiespeicher, der aufgebraucht wird. Dauert dieser Zustand an, kommt es zu einer:

4. Verdrängung von Konflikten und Bedürfnissen

Die Achse zwischen Metallelement und Holzelement ist mittlerweile so stark geworden, dass innere Bedürfnisse nicht nur vernachlässigt, sondern verdrängt werden. Durch die sukzessive Erschöpfung des Wasserelements entsteht eine innere Leere, die einerseits zu Heimlichkeiten und Rückzug führen kann, da ja niemand wissen darf oder sollte, was wirklich Sache ist. Andererseits entwickeln sich in dieser Phase oft Kompensationsmechanismen wie Exzesse oder Süchte, um dem Gefühl der inneren Leere entgegenzuwirken oder auszuweichen.

5. Umdeutung von Werten

Wenn man die Energetik des Dünndarmmeridians studiert, fällt auf, dass der Dünndarmmeridian immer die Nähe zu den Yin-Aspekten des Wassers sucht. Ob in der Rückendiagnosezone, in der Bauchdiagnosezone oder die Mu- und Shu-Punkte: Alle diese Bereiche befinden sich in starken Wasserzonen. Der Dünndarm braucht das Wasser. Die wesentlichen energetischen Aspekte des Dünndarms basieren auf der intakten Verbindung der Feuer-Wasser-Achse. Um Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, braucht es Klarheit. Klarheit entsteht durch Bewusstsein (Feuer) in Verbindung mit Ruhe (Wasser). Ausdauer entsteht durch die Verbindung von Leidenschaft (Feuer) in Verbindung mit starkem Willen (Wasser). Durch das aufsteigende Yang der vorangehenden Phasen und die damit einhergehende Erschöpfung des Yin beginnt sich in Phase 5 die Feuer-Wasser-Achse zu trennen. Wir verlieren Klarheit und Bewusstsein über die Dinge, die uns wirklich ausmachen. Wir verlieren den Kontakt zu unseren inneren Werten. Wir verlieren Ausdauer und Durchhaltevermögen. Vermehrtes Fehlbleiben am Arbeitsplatz kann die Folge sein.

6. Verstärkte Verleugnung auftretender Probleme

Durch den Verlust des Kontaktes zu den eigenen Werten nimmt die Verbindung zu den persönlichen Bedürfnissen stark ab, das Yang verhärtet immer mehr an der Außenseite, das Yin erschöpft sich zunehmend, auch in Holz- und Feuerelement. Die Flexibilität der Leber geht verloren, die Freude des Herzens schwindet. Zunehmend stellen sich auch körperliche Symptome entsprechend dieser Energieverteilung ein.

7. Rückzug

Die Gefühle von Hoffnungslosigkeit und Orientierungslosigkeit nehmen überhand, die Personen ziehen sich vor sich selbst und der Welt zurück. Das Metallelement kollabiert. Der Elementargeist der Lunge ist geschwächt. Die kontrollierende Dickdarmenergie hat sich erschöpft, der energetische Zusammenhalt im System beginnt sich aufzulösen und die bis dato unterdrückten Disharmonien zeigen sich immer deutlicher. Im Wasserelement manifestieren sich Ängste, im Holzelement Stimmungsschwankungen, Spannungen, Kopfschmerzen, im Feuerelement Herzklopfen oder Engegefühl in der Brust und in der Erde spielt die Verdauung verrückt. 

8. Beobachtbare Verhaltensänderung

Der Rückzug verstärkt sich. Das energetische Ungleichgewicht manifestiert sich in auffälligen Verhaltensänderungen. 

9. Depersonalisation & 10. Innere Leere

Durch die komplette Trennung der Feuer-Wasser-Achse entsteht der Verlust des Gefühls für die eigene Persönlichkeit und damit geht auch der letzte Rest des Erkennens eigener Bedürfnisse verloren. Daraus folgt eine tiefe Selbstverneinung, die sich auf den eigenen Körper und die eigene Person bezieht. In dieser Phase entstehen aufgrund der Erschöpfung der Nieren häufig schwere Phobien und Panikattacken, die Betroffenen fühlen sich nutzlos, ausgezehrt, erledigt. Durch das Verzehren des Yin auf allen Ebenen verstärkt sich das Gefühl der inneren Leere. Abermals kann eine Kompensation durch Suchtverhalten  erfolgen.

11. Depression & 12. Völlige Burn Out-Erschöpfung

Das System ist komplett polarisiert. Initiative und Motivation sind am Nullpunkt angekommen. Ein starkes Symptom ist hier der Wunsch nach Dauerschlaf, der die völlige Erschöpfung aller Yin-Quellen widerspiegelt. Die losgelöste Yang-Energie kann destruktive Merkmale aufweisen. Es gibt kein ‘Ich’ mehr, die ursprünglichen Zwänge haben sich aufgelöst und damit der Sinn weiterzuleben. Suizidgedanken treten auf. Häufig bricht hier auch das Immunsystem zusammen.

Diese von Freudenberger postulierten 12 Phasen sind nicht zwingend chronologisch aufeinander aufbauend. Sie spiegeln Zwischenstufen zum Burn Out, die je nach individueller Ausprägung deutlicher oder weniger deutlich durchlaufen werden können. Bei den 72 im Rahmen des Burn Out Praktikums behandelten KlientInnen ließen sich viele dieser Phasen jedoch deutlich eingrenzen, wobei die größte Häufung zwischen den Phasen 3 und 7 zu erkennen war. Jedoch fanden sich auch Personen mit langjähriger schwerer Erschöpfungsdepression und damit einhergehender Arbeitsunfähigkeit im Praktikum, also Personen aus den Phasen 10, 11 oder 12. Die energetische Darstellung der 12 Phasen im Sinne der Fünf Elemente hat sich aus der Befundung unserer KlientInnen ergeben, genauso wie ein Behandlungskonzept, dass die Charakteristika der Phasen berücksichtigt und klare Schwerpunkte in der Behandlung setzt.

Der Lebermeridian: Schlüssel zur Veränderung

Die Leber ist verantwortlich für den freien Fluss von Chi. Jedes chronische Muster ist eine Form von Stagnation, weil das Chi nicht mehr frei fließt, sondern sich rigide in bestimmten Bahnen bewegt. Oder auch nicht bewegt. Leber 14, der Alarmpunkt der Leber, bringt diese Energetik schön zum Ausdruck. Es herrscht Alarm für die Leber, wenn das Tor zum/für einen neuen Zyklus (Qi Men, Leber 14), geschlossen ist oder nicht passiert werden kann. Aber dieser Alarm betrifft nicht nur die Leber, sondern das gesamte System. Wenn die Leber ihrer Aufgabe des freien Chi Flusses nicht mehr nachkommen kann, ist jede Form von Veränderung schwierig. Umgekehrt – so unsere Beobachtung – resultieren chronische Muster immer auch in einer Stagnation des Leber Chi. Daher legten wir zu Beginn jeder Behandlung den Schwerpunkt darauf, das Leber-Chi zu mobilisieren, um überhaupt die Voraussetzungen für Veränderung zu schaffen, um dem Chi die Möglichkeit zu geben, einen neuen Zyklus zu durchlaufen. Dieser Behandlungsansatz wurde in der Seitenlage umgesetzt, unter Integration der gesamten dritten Meridianfamilie (Leber, Gallenblase, Herzkonstriktor, 3facher Erwärmer).

Die Referenzzone dieses Zuganges lag immer auf der Hara Diagnose Zone der Leber in Verbindung mit Leber 14. Der Behandlungsansatz wurde solange durchgeführt, bis sich hier eine Veränderung im Sinne von freien Chi Fluss feststellen ließ. Je nach individueller Kondition und Burn Out Phase erfolgte dies nach relativ kurzer Behandlungszeit (oft nur 15 Minuten). Oder aber die Mobilisierung des Leber Chi wurde zum zentralen Bestandteil der Strategie für den gesamten Behandlungszyklus. So oder so: In unserer Herangehensweise war die Arbeit mit dieser Leberenergie der erste entscheidende Schritt, um das chronische Muster zu öffnen und für weitere Akzente bereit zu machen.

Die Lunge und Blase 42: Das Tor zum Po

Wie unsere energetische Darstellung der 12 Burn Out Phasen zeigt, spielt das Dreieck zwischen Metall-, Wasser- und Holzelement eine zentrale Rolle. Im Metallelement lag der Fokus auf der Arbeit mit dem Po, der Körperseele, die gerne auch als Lebenswille bezeichnet wird. Bei einer starken Erschöpfung ist die „Luft draußen“, wir haben unseren Lebenswillen und den Instinkt verloren, der uns auf uns selber schauen lässt, ob auf körperlicher, geistiger oder emotionaler Ebene. Der Po spielt bei chronischen Mustern ebenfalls eine entscheidende Rolle, da jede längerfristige Disharmonie dazu führen kann, dass die „Luft draußen“ ist. Bei der Burn Out Entwicklung verliert der Po über die Erschöpfung des Yin, die auch die Lunge angreift, sukzessive an Energie. In den frühen Phasen drückt sich dies in der Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse und der eigenen Persönlichkeit aus, in der Spätphase des Burn Outs oft in einem völligen Verlust des Lebenswillens.

Im Energiekreislauf der Meridiane folgt auf die Leber die Lunge. Die Energie passiert das wichtige Tor Leber 14, ein neuer Zyklus kann beginnen, sofern der Po aktiv ist. In unserem Zugang zur Burn Out Energetik kristallisiert sich daher die Arbeit mit der Lunge und dem Po als zweiter großer Schwerpunkt heraus. Umgesetzt wurde dieser Ansatz wie die Arbeit mit der Leber: Je nach Burn Out Phase und individueller Kondition konnte die Arbeit mit der Lunge mehr oder weniger Zeit und Raum beanspruchen, wobei sich anhand unserer Befundung jedoch deutlich zeigte, dass die Metallenergie von dem Burn Out Muster wesentlich direkter beeinflusst wird als vergleichsweise die Holzenergie und dementsprechend zu einem intensiveren Behandlungsakzent im Rahmen des Intensivpraktikums führte. Auch wenn unser Behandlungszugang primär über die entsprechende Meridianarbeit erfolgte, wurde bei diesem Schritt gezielt Blase 42 als das direkte Tor zum Po in die Shiatsu Sitzungen integriert und als Referenzstelle verwendet, inwieweit sich der energetische Zustand dieses Punktes verändert hat.

Gallenblase 25: Alarm für die Nieren

Nach dem Wiederherstellen des freien Chi Flusses und der Aktivierung des Lebenswillens lag der Fokus auf dem Wasserelement – und hier vor allem in der Unterstützung der Übereinstimmung unseres Willens mit unseren inneren Ressourcen. Gallenblase 25, der Alarmpunkt der Nieren, bringt die enge Verbindung zwischen Wasser- und Holzelement vor allem in der frühen Phase des Burn Outs zum Ausdruck. Gallenblase 25, Jing Men, wird gerne als das Tor zur Hauptstadt bezeichnet. Handelt es sich hierbei um „unsere Hauptstadt“? Um unsere innerste Quelle? Herrscht Alarm, wenn sich dieses Tor verschließt und wir keinen Zugang mehr zu uns finden? Oder herrscht Alarm, wenn dieses Tor so offen steht, dass wir uns verlieren? Interessant ist hier der prozessartige Verlauf der „Erschöpfung“ der Wasserenergie, die bei Blase 23 (Shen Shu, Zustimmungspunkt zu den Nieren) beginnt. Durch den Zwang des Tuns wird die Nierenenergie geschwächt. In weiterer Folge verlieren wir durch diese Müdigkeit an Willenskraft, was sich deutlich am Zustand von Blase 52 (Zhi Shi, Sitz der Willenskraft) ablesen lässt. Bei länger anhaltender schwindender Wasserenergie und schwindender Willenskraft wird es für die Nieren alarmierend: Gallenblase 25 zeigt eine dementsprechende energetische Reaktion. Durch Müdigkeit (Niere) und Willensschwäche (Niere) sind wir nicht mehr in der Lage Entscheidungen (Galle) in Übereinstimmung mit unseren inneren Ressourcen zu treffen, ein Charakteristikum des Burn Outs.

Hier setzten wir den dritten Schwerpunkt in unserem Zugang: Wenn das Chi frei ist, der Lebenswille aktiviert und die Entscheidungen wieder mehr in Übereinstimmung mit unserer Zentrale, mit unserer „Hauptstadt“ getroffen werden, können wir uns aus dem Zustand des Burn Outs herausbewegen. Referenzpunkte waren hier vor allem Blase 52 und Gallenblase 25, auch wenn Schwerpunkt zur Berührung des Wasserelements hauptsächliche über Meridianarbeit geschah.

Learing by doing

In dem Burn Out Intensivpraktikum haben wir also mit 72 KlientInnen bei über 700 Behandlungen schwerpunktmäßig mit diesem Zugangskonzept gearbeitet:

  1. Chi in Fluss bringen
  2. Lebenswillen aktivieren
  3. Willenskraft und Ressourcen abstimmen

Es handelt sich dabei um einen gewachsenen Zugang, um einen Zugang, der durch das Tun und durch kontinuierliches Überprüfen dieses Tuns entstanden ist. Als ich vor circa fünf Jahren begonnen hatte schwerpunktmäßig mit Burn Out KlientInnen zu arbeiten, hatte ich schon aufgrund des Begriffes „Ausgebrannt sein“ primär das Bild von großer energetischer Leere im Kopf, stellte mich auf viel Tonisierungs- und Aufbauarbeit ein, wurde aber in der Praxis immer wieder überrascht und lernte Burn Out vielmehr als Zustand der Energiepolarisation kennen. In extremen Zustanden sind Yin und Yang nicht mehr verbunden. Auf der einen Seite die große Leere. Auf der anderen die Überspannung. Das weckte mein Interesse und legte den Grundstein für das Burn Out Intensivpraktikum.

Jedes Muster hat eine Charakteristik, ein spezifische Ausprägung. Durch die intensive Arbeit und die zahlreichen Behandlungen haben wir versucht, diese Ausprägungen zu erfassen und einen möglichst effektiven Zugang zu der Burn Out Energetik zu gewinnen. In der Praxis angewandt wollten wir mittels der den drei Schwerpunkten eine rasche wie effektive Orientierung gewinnen. Bei der Befundung konnte sich herausstellen, dass jedoch keiner der drei Punkte eine hohe Relevanz aufwies. Vielleicht handelte es sich dann lediglich um ein Feintuning, dass rasch in einer oder zwei Behandlungen umgesetzt werden konnte. Umkehrt konnte jeder der drei Punkte zu einem Schwerpunkt in einer Behandlungsserie von zehn Behandlungen werden. Hier haben wir jedoch im Rahmen des Intensivpraktikums die rascheren Erfolge mit der aufeinander aufbauenden Abfolge erreicht. Wenn ein Muster chronisch ist und die Leber das Chi nicht freigibt, dann war es schwierig für uns, mit den anderen Aspekten zufriedenstellend zu arbeiten. Und wenn der Lebenswille an sich fehlt, wird sich auch der Alltagswille schwer entfalten lassen. Wir wollten natürlich auch wissen, wie sich dieser Zugang auf der Seite der KlientInnen bewährte.

Im Rahmen der Intensivpraktika der International Academy for Hara Shiatsu von Tomas Nelissen arbeiten wir intensiv mit Feedbackbögen. Diese werden zu Beginn einer jeder Behandlungsserie an unsere KlientInnen ausgegeben und bestehen aus zwei Teilen, wobei mittels eines umfangreichen Fragenkataloges jeweils der Gesamtzustand zu  Beginn und am Ende einer Behandlungsserie erfasst wird. Es steht den KlientInnen frei – um erwünschtes Antwortverhalten oder eine direkte Beeinflussung durch die jeweiligen PraktikerInnen zu vermeiden – die jeweiligen Bögen völlig anonym in eine entsprechende Box einzuwerfen, Teil eins nach der ersten Behandlung, Teil zwei am Ende der Behandlungsserie. Der Rückfluss dieser Bögen beträgt im Schnitt 73%.

  • Von diesen 73% verbesserte sich bei  58 %  das Energieniveau deutlich, d.h. Symptome wie Müdigkeit, Schlafstörungen, Überlastung, etc. nahmen ab.
  • 51 % merkten eine deutliche Verbesserung bei emotionalen Problemen – darunter werden Gefühle, wie Angst, Unsicherheit, Unzufriedenheit oder Wut zusammengefasst.
  • Und: Der Großteil, also immerhin 92 % der KlientInnen waren mit den Behandlungen zufrieden. 62 % waren mit der Behandlung und dem Auftreten der PraktikerInnen und der Beratung sogar sehr zufrieden.

Das wahre Wesen

Es hat sich im Verlauf des Intensivpraktikums auch gezeigt, dass durch die Arbeit mit der Energetik des Burn Out Clusters die zugrundeliegenden individuellen energetischen Muster immer deutlicher zum Vorschein kamen, je mehr sich die Disbalance des Burn Out Zustandes verringerte. Nicht umsonst gehen mit starken Stresszuständen geflügelte Worte wie „Ich stehe komplett neben mir“, „Ich verliere mich in Arbeit“ oder „Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht“ einher. Anders ausgedrückt: Hinter dem Burn Out wartet der eigentliche Zustand, die Grundenergetik, der Mensch an sich. Hinter dem Lärm wartet die Ruhe. Hinter dem Stress wartet das Sein. Der Umgang mit Symptomen ist nur Mittel zum Zweck, um rascher mit dem wahren Ich in Kontakt treten zu können. Um noch einmal auf die Eingangs erwähnten Fragestellungen von Howard Earl Gardner zurückzukommen, die bei Burn Out Phase 1 erwähnt wurden: Wer bin ich? Was will ich? Wie erreiche ich effizient meine Ziele? Die tiefgehende Beantwortung dieser Fragen ist wahrscheinlich die beste Burn Out Prävention. Und Überhaupt: Die erste Frage führt uns direkt zum Kern unseres Wesens. Diesen Kern wollen wir berühren, das ist das Herz von Shiatsu.

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